Kirchenmusiktage 1978

Pachtener Kirchenmusiktage 78: Das Wagnis lohnte sich

Bereicherung des Musikangebots in Dillingen – Höhepunkt war die Uraufführung einer Kremer-Komposition

jh. Dillingen. Der katholische Kirchenchor St. Maximin in Dillingen/Pachten hatte erstmals das Wagnis auf sich genommen, Kirchenmusiktage in der letzten Woche des Kirchenjahres durchzuführen. Noch unsicher zwar, ob sich die neugeschaffene Einrichtung würde durchsetzen können, waren die Verantwortlichen von Anfang an bestrebt, durch ein recht anspruchsvolles Niveau der Konzerte den angestrebten hohen künstlerischen Rang dieser Kirchenmusiktage zu prägen und damit einen über die Grenzen der Pfarrei und der Stadt Dillingen hinaus reichenden Hörerkreis anzusprechen. Um es gleich vorwegzunehmen: diese Kirchenmusiktage wurden zu einem schönen Erfolg! Es sollte den Veranstaltern ein Ansporn sein, das begonnene Werk weiterzuführen.

Eingeleitet wurden die Kirchenmusiktage Pachten 1978 mit einem meditativen Gottesdienst, den der Jugendsingkreis des Kirchenchores St. Maximin unter Leitung von Lothar Kopp gestaltete. Die Texte hatte Aloisius Berg, ebenfalls Chormitglied, geschickt zusammengestellt und auf das Thema „Mut zur Hoffnung in die Zukunft“ bezogen. Die Gestaltung der zum Teil einstimmigen, aber rhythmisch mitreißenden Lieder, die von einer Combo begleitet wurden, gelang dem Jugendsingkreis ganz hervorragend, so daß sich bei manchem Hörer jenes „gewisse Kribbeln“ einstellte. Auch die mehrstimmigen Sätze der Spirituals vermochten die vielen Teilnehmer am Gottesdienst zu fesseln.

Es bleibt noch zu erwähnen, daß der Chorleiter des Kirchenchores St. Maximin, Josef Fisch, in dem Meditationsgottesdienst den Orgelpart übernommen hatte. Neben Hermann Schröders Toccata über „Veni creator spiritus“ und dem zur Besinnung einladenden „Offertorium“ von Jean Langlais konnte vor allem seine Improvisation am Schluß des Gottesdienstes überzeugen, wo er versuchte, noch einmal die Gedanken der Meditation musikalisch nachzuzeichnen.

In der Mitte der Kirchenmusiktage stand, wie bereits ausführlich gewürdigt, das Orgelkonzert mit dem prominenten Organisten Ernst-Erich Stender (Lübeck).

Abschluß und zugleich Höhepunkt der Kirchenmusiktage Pachten 1978 war ein Chor- und Orgelkonzert, in dessen Mitte die Uraufführung der „Hymni sancti ambrosii“ stand. Der aus Dillingen stammende Komponist, Professor Klemens Kremer, hat diesen Chorzyklus dem Kirchenchor St. Maximin und seinem Chorleiter Josef Fisch gewidmet. Als Spezialist für avangardistische Musik war Josef Fisch schon vor Jahren bei der Einspielung der Kremerschen „Battaglia per sette cori“ auf Schallplatte und ihrer Uraufführung anläßlich der Bundesschulmusikwoche 1970 in Saarbrücken aufgefallen.

Auch bei der jetzigen Uraufführung der „Hymni“ bewies der inzwischen bei Professor Siegfried Köhler weiter ausgebildete Chorleiter wiederum sein Vermögen, die recht schwierige Partitur mit einem Laienchor musikalisch ansprechend zu realisieren. Es erfordert schon ein gerüttelt Maß an Stimmbildung, wenn Sopran- und Tenorstimmen sich ständig in höchsten Lagen bewegen müssen und wenn selbst Alt- und Baßstimmen öfters beim zweigestrichenen G einsetzen, was den Sängerinnen und Sänger fast mühelos zu gelingen schien. Neben dieser extremen Höhenlage der Stimmen dürften die vielen Cluster, die im Osterhymnus sogar kanonisch abwärts geführt werden, weitere Schwierigkeiten bei der Probenarbeit bereitet haben, wovon der Zuhörer, für den sich das Werk teilweise recht wohlklingend darstellt, kaum etwas ahnen konnte. Als Besonderheit ist ihm aber aufgefallen, daß – wie bei einer Simultanübersetzung – die lateinischen Hymnen des Hl. Ambrosius und ihre deutsche Nachdichtung von Friedrich Wolters miteinander verknüpft waren. Der unterschiedliche Rhythmus beider Sprachen führte zu schwierigen Polyrhythmen in Kremers Komposition, in der neben der erwähnten neuen Technik auch die Musizierpraxis der frühen Mehrstimmigkeit in Form des „Motetus“ und des „Faux-bourdon“ verarbeitet ist. Dabei bleibt die Komposition bei aller Vielfalt der Technik dank ihrer klaren Architektur immer übersichtlich.

Der von Josef Fisch mit überaus präziser, aber sehr locker wirkenden Schlagtechnik geführte Chor meisterte die Tücken der Partitur auch in der bis zu zehn Stimmen reichenden Vielstimmigkeit mit schönem Klang und guter Deklamation, wobei besonders die hohen und dabei doch runden Sopranstimmen und die profunden Bässe hervorstachen. Aber auch die hohen Tenöre klangen weich, und selbst die schwierig zu singende Altstimme wurde selbst in extremen Lagen mit lockerer Tongebung gesungen.

Der spontane Beifall würdigte die respektable Chorleistung, galt jedoch in gleichem Maße dem anwesenden Komponisten, der mit seinem neuen Werk die zeitgenössische Kirchenmusik wesentlich bereichert hat.

Zwischen den einzelnen Hymnen erklangen Orgelimprovisationen, deren Thematik aus den Hymnen stammte und deren Gestaltung sich am Text dieser Dichtung orientierte. Auch für diese Aufgabe gingen die Veranstalter der Kirchenmusiktage kein Risiko ein. Sie hatten dazu den gerade wegen seiner Improvisationskunst international bekannten Domorganisten Professor Ludwig Doerr aus Freiburg verpflichtet. Mit erstaunlichem Gespür fügte er seine kurzen, aber klanglich sehr reichen und reizvollen Improvisationen in den Chorzyklus ein.

Den Rahmen für die „Hymni“ boten zwei große Orgelwerke der Barockzeit. Zu Beginn spielte L. Doerr in der von ihm gewohnten Sicherheit „Präludium und Fuge e-Moll“ von Nicolaus Bruhns. Den würdigen Abschluß dieses einzigartigen Konzertes bildete Johann Sebastian Bachs „Präludium und Fuge Es-Dur“, nach dessen letztem Akkord sich die vielen Konzertbesucher mit reichlichem Applaus beim Organisten bedankten.

Es bleibt noch anzumerken, daß den Veranstaltern Anerkennung für ihren Wagemut gebührt. Der Erfolg sollte sie dazu bewegen, die Kirchenmusiktage Pachten im Jahre 1979 weiterzuführen. Bei dem diesmal gezeigten künstlerischen Niveau braucht der Kirchenchor St. Maximin um weiter Erfolge nicht zu bangen!