Spirituals 1978

Spirituals als Meditationshilfe

Meditationsgottesdienst in St. Maximin beeindruckte tief

Dillingen. Mit einer modernen Orgelmeditation „Jesus nimmt das Leiden an“ von Olivier Messiaen, die Organist und Chordirektor Josef Fisch ausgewählt hatte, und gekonnt interpretierte, begann in der überfüllten Pachtener Pfarrkirche ein vom Jugendsingkreis gut vorbereiteter meditativer Gottesdienst.
Pastor Jutz sprach einleitend über den Sinn der Fastenzeit: Ruf zur Umkehr, ehrliches Überdenken des Menschseins im privaten Bereich wie in einer Breite, die die Probleme der ganzen Welt einbezieht. Er verwies auf die wichtigsten Taten Gottes: Tod und Auferstehung Jesu Christi.

Lothar Kopp und Aloisius Berg leiten den Jugendsingkreis, der innerhalb des Kirchenchores besteht. Eine vorzügliche Meditationshilfe bieten die alten Negro-Spirituals, in ihrer Aussage stets aktuell, da jedes Jahrhundert irgendwo Unfreiheit zuläßt. Es handelt sich um geistliche Lieder. Sie besingen Leid und Trauer, Sehnsucht, Hoffnung und Freude, klagend und jubilierend. Wer genießen möchte, nur Musikerleben sucht, verfehlt ihre Herzensmitte. Spirituals fordern Stellungnahme, Selbstbesinnung und Entscheidung.

Während der eine Lektor solche Erläuterungen zu den Liedern gab, las eine zweite Lektorin gehaltvolle, kritische und nachdenkliche Texte. Für diesen wertvollen Beitrag zeichnete Aloisius Berg verantwortlich.

Selten erklangen bei uns Spirituals in vielstimmigen Sätzen und mit Solisten so beseelt, wie sie Lothar Kopp zu deuten wußte. Etliche Chöre hatten eine dezente Instrumentalbegleitung: Wurlitzer Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Manchmal gesellten sich Trompete und Posaune dazu. Feinsinnig wurde „Were you there“ (Warst du dort, als sie kreuzigten den Herrn?) a capella gesungen. Einwandfrei beherrschten die Sänger die englische Aussprache. 30 begabte Jungen und Mädchen aus Pachten, von sachkundiger Hand geführt, gingen dieses Wagnis ein. Eine solche Besinnungsstunde sollte an anderen Orten wiederholt werden, um aus enttäuschten Christen Gläubige zu machen. Bekanntlich interessieren sich viele junge Leute für Gospel- und Spiritualkonzerte, aber nur in einem Rahmen wie hier in Pachten werden sie von einer nie versiegenden Kraftquelle gepackt und aufgerichtet. Sie sind Atem der Seele und ein Schwingen zur Höhe, unserem Ursprung hin. Müssen Notzeiten kommen, damit sich Hände falten, wie Aloisius Berg sie der Vergangenheit entnommen und auf Plakaten und Handzetteln nachzeichnete?

Nachdem Pastor Jutz abschließend Gott bat, uns im Geist der Bergpredigt und am Ausbau einer besseren Welt zu stärken, erteilt er den Segen. Josef Fisch gelang zum Ausklang eine eigenwillige Orgelimprovisation über die mittelalterliche Weise „Es sangen drei Engel einen süßen Gesang“, wo der obere Kontrapunkt in höchsten Lagen erklang, das Himmlische symbolisierend. Ähnliches will bestimmt auch Messiaen erreichen, wenn er den einzigen strahlenden Durakkord in seiner Orgelmeditation am Ende aufklingen lässt: Vorahnung einer Erlösung, an die wir glauben und die wir verkünden wollen. Unnütz sind alle irdischen Verträge, wenn die himmlischen Bindungen unterbrochen: Unrettbar fallen wir in die Tiefe. Davor bewahrte die Pachtener Meditation.

Kritik von Alfons Sibille